
Die Zeiten in denen das Schreiben mit der
linken Hand völlig undenkbar war sind glücklicherweise vorbei. Es gibt allerdings auch heute noch viele Kinder, die sich auf den Gebrauch der rechten Hand umstellen. Erkannt wird das oft erst dann, wenn in der Schule unerwartete Schwierigkeiten auftreten und die Leistungen nicht mit den vorhanden Kapazitäten des Kindes übereinstimmen. Das Schreiben wird vielen Betroffenen zur täglichen Qual, Konzentration und Gedächtnis machen diesen Kindern zu schaffen. Oft macht sich schon bald ein genereller
Schulfrust bemerkbar. Der Weg zurück ist mühsam und es vergeht einige Zeit, bis nach einer
Rückschulung die Probleme weniger werden.
Kindergartenpädagog_innen berichten immer wieder, dass sich die Zahl der als
linkshändig wahrgenommen Kinder vom Kindergarteneintritt bis zu den Weihnachtsferien verändert. Einige der kleinen
LinkshänderInnen passen sich in den ersten Monaten an die rechtshändige Mehrheit an und agieren zunehmend mit der rechten Hand. Dies ist auch eine Form der Umschulung! Die Folgen für die Lern- und Leistungsfähigkeit jener Kinder sind ebenso groß wie bei Kindern, die unter äußerem Zwang die
Schreibhand wechseln mussten.
Faktoren die zu einem Wechsel im Handgebrauch führen können:
- Beeinflussung durch Bezugspersonen (bewusst oder unbewusst – meist gekoppelt mit Unwissenheit);
- Anpassung an die ergonomischen Gegebenheiten, weil viele Gebrauchsgegenstände für den rechtshändigen Gebrauch konstruiert sind;
- Nachahmung (Selbstumschulung) „So sein wollen wie die anderen!" - „Nur nicht auffallen!".
Folgende Anzeichen können auf eine Umschulung hinweisen:
- Schwierigkeiten beim Schreiben lernen:
- verkrampfte Stifthaltung und großer Schreibdruck - die Hand tut schnell weh;
- unregelmäßige Schrift;
- Schreibunlust;
- die Schrift ist schön, aber das Schreiben dauert sehr lang;
- Schreiben in Spiegelschrift (ganze Wörter, einzelne Buchstaben oder Zahlen).
- Handgebrauch:
- Gegenstände (z.B. Buntstifte) werden mit der linken Hand genommen und an die rechte Hand weitergereicht;
- wechselnd beim Schreiben, Zeichnen und Essen mit Besteck;
- erhöhte Anfälligkeit für Missgeschicke (Glas umstoßen etc.) und für Verletzungen;
- Schwierigkeiten beim Essen mit Besteck;
- Vermeiden von komplexen feinmotorischen Handlungen (Masche binden, Karten mischen, …);
- mit der linken Hand Grüßen, oder Verweigerung mit Hand zu Grüßen;
- körperliche Anspannung beim Agieren mit der rechten Hand;
- Schwierigkeiten beim Handarbeiten und Werken, oft auch beim Ballspielen.
- legasthene Probleme:
- wie Verdrehen von einzelnen Buchstaben (b d, g p);
- Vertauschen der Reihenfolge.
- Konzentration:
- im Unterricht leicht ablenkbar;
- die Erledigung der Hausaufgaben dauert lange - häufige Unterbrechungen;
- Auslassungsfehler bei Diktaten, mit steigender Textmenge noch mehr;
- vor Prüfungen lernen sie nur oberflächlich ins Kurzzeitgedächtnis.
- die schulischen Leistungen, vor allem im schriftlichen Bereich stimmen nicht mit der Einschätzung der Eltern und dem allgemeinen Intelligenzniveau überein;
- Zurückgezogenheit;
- Wutanfälle, weil etwas nicht so gelingt wie geplant;
- manch betroffenes Kind reagiert auf die Einschulung mit Nägel kauen, Bettnässen, Alpträumen, Ticks wie Augenzwinkern, Schniefen oder Stottern;
- einzelne Kinder überspielen die vorhandenen Schwierigkeiten in dem sie sich zum Klassenkasperl machen oder sich ein besonders „cooles" Verhalten angewöhnen.
Jedes einzelne dieser Anzeichen kann unterschiedlichste Ursachen haben. Sind aber mehrere Symptome vorhanden, sollte an die Möglichkeit gedacht werden, dass das Kind seine Linkshändigkeit nicht lebt. Regen Sie gegebenenfalls bei den Eltern eine Klärung der Handdominanz an.
Händigkeit und Schullaufbahn (Untersuchung von Dr. Peter Böhm)
Dr. Peter Böhm ist ein pensionierter Wiener Volksschuldirektor und ehemaliger fachlicher Leiter von 4 Projektschulen in denen linkshändige Kinder in besonderer Weise gefördert wurden. Er hat in seiner Dissertation im Jahre 2002 eine, an Wiener Schulen und Kindergärten durchgeführte, umfangreiche Studie veröffentlicht.
Die Testpersonen wurden in den 70er Jahren auf ihre Seitendominanz getestet. Nach Beendigung ihrer Pflichtschulzeit von 9 Jahren wurden ihre schulischen Karrieren erhoben und auf Zusammenhänge mit der Seitendominanz untersucht. Dabei ist er unter anderem zu folgendem Ergebnis gekommen:
• Linkshänder und Rechtshänder, die ihre dominante Hand zum Schreiben verwenden, haben die gleichen Bildungschancen.
• Umgeschulte Linkshänder weisen im Durchschnitt wesentlich schlechtere Schulerfolge auf. Sie erreichen in der Volksschule signifikant seltener eine AHS-Reife.
(aus Dr. Peter Böhm, Studie zur Frage der Umstellung von Linkshändern, Dissertation, Universität Wien 2002)
Text und Bilder: Mag
a Andrea Hayek-Schwarz - 2016
zurück zu Wissenswertes